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Ich mache zur Zeit einen Online Workshop um meine Schreibfähigkeiten zu verbessern.

Eine der Aufgaben war es, zwei Fotos nacheinander für jeweils 3min zu betrachten und daraufhin einen kurzen Text von ca. 250 Wörtern zu schreiben. Interessant dabei ist, dass ein Foto unsere Erinnerung oft in eine Richtung führt, die objektiv wenig mit der abgebildeten Person/ dem Ort zu tun hat.

Und mir wurde bewusst, wie viel persönlicher ein Text ist als ein Foto. Er lässt so viel tiefer in die eigene Wahrnehmung blicken

Foto 1 – das letzte Foto auf dem Handy

Das letzte Foto auf meinem Handy zeigt Jona, wie er im Bett liegt und schläft. Aufgenommen vor ca. 10 min.

Eigentlich dienen Fotos der Erinnerung, aber ich habe dieses Foto gemacht, um mir die Gegenwart präsent zu halten.

Ich möchte mir bewusst sein, was für ein Geschenk dieses Kind ist.

Ich möchte jeden Moment genießen.

Wenn er seinen Kopf in meine Halsbeuge kuschelt, da es draußen kalt ist und er sich vor dem Wind schützen will. Genießen, dass mir seine volle Aufmerksamkeit gilt. Die meiste Zeit des Tages ist sein Bestreben auf mich gerichtet.

Ich bin Anstoß und Hilfe in einer Person. Wie schnell kommt er auf meinem Arm um Trost bei mir zu finden, obwohl ich der Grund für seinen Ärger war. Weil ich ihm etwas verboten habe und Auslöser für seine Gefühle bin, mit denen er noch lernen muss umzugehen.

Deine kleine Nase. Der hoffnungslos unschuldige Blick, wenn du versuchst eine unbekannte Situation zu verstehen. Deine süße Stimme, die alles nachplappert und fortwährend neue Wörter lernt. Oft bin nur ich in der Lage sie zu verstehen. Weil ich bei dir bin. Weil ich das Privileg habe, deine Mutter zu sein.

Das Foto, welches ich gerade betrachte, wird mir in Zukunft Freude ins Gesicht zaubern. Ich werde dir mit Stolz beim Aufwachsen zusehen. Jeden Fortschritt werde ich feiern und dich ermutigen eigene Wege zu gehen.

Dann werde ich zugesehen haben, viele Jahre, wie dein Charakter sich formt und ich werde für immer Teil von dir sein. Ich werde mich in dir sehen.

Foto 2 -Heute vor einem Jahr

Ein Foto von Leo und Jona im Uterum (schwedisch: Außenraum/Wintergarten) im Ubbalt, unserem Zuhause auf Zeit als wir in Schweden ankamen

An Leos Zähnen sieht man, dass er älter geworden ist. Kraut und Rüben damals in seinem Mund.

Wir wohnten seit drei Monaten in Schweden, gerade hatten wir den Uterum aufgeräumt und geputzt, von nun an unser aller Lieblingsplatz im Haus. Während ich schreibe, kommen die Gefühle, die ich unserem ersten Zuhause gegenüber hatte, wieder hoch. Überraschenderweise sind diese nicht nur negativ.

Ich mochte unser Schlafzimmer und irgendwann hatte ich mich sogar an die Küche gewöhnt. Dieses kalte Großküchenungetüm, in der es nach Plastik stank, wenn der Herd genutzt wurde und sehr heiß wurde. Im selben Zug rann braune Brühe die Abzugshaube hinunter. Aber es gab eine Spülmaschine und Platz um alle möglichen Küchengeräte unterzubringen.

Das Bad war immer irgendwie unangenehm. Alle versuchten beim Duschen möglichst nicht die Wände zu berühren.

Positiv zu erwähnen ist, dass es, da dieses Haus ehemals ein B&B war, heißes Wasser im Überfluss gab und alle Familienmitglieder nacheinander duschen konnten, wenn sie das denn wollten.

Das Zimmer von Linnea kommt immer wieder in meiner Erinnerung hoch. In welchem, in unregelmäßigen Abständen, Fliegen in größeren Mengen auftauchten. Die Ursache dafür, fanden wir nie heraus.

Kurz bevor wir auszogen, berichtete sie von einem großen, schwarzen Käfer, der nach seiner Entdeckung flink zwischen den Holzdielen verschwand. Linnea hielt sich daraufhin überwiegend nur noch auf ihrem Bett auf, wenn sie sich in diesem Raum befand.

Ich verfüge nun über allerlei Wissen über Kakerlaken und Holzparasiten , dass ich mir auf der Suche nach dem Ursprung des Käfers aneignete. Der wurde übrigens nie wieder gesehen.

Innerhalb des letzten Jahres, wurde mir bewusst, wie wichtig Rückzugsmöglichkeiten für meine emotionale Stabilität sind. Davon gab es im 200qm großen Ubbalt genügend. Und es roch wunderbar nach Holz, sobald sie ersten Sonnenstrahlen das Haus erwärmten.

Zurück zum Uterum. Den liebten wir alle. Ein großer, komplett weiß gestrichener Raum mit alten Holzbalken und sieben übergroßen, schwedischen Sprossenfenstern. Lichtdurchflutet mit Blick auf den Wald und einem Meer blaublühender Bauernhortensien. Gekrönt von einer Hängematte. Sobald es warm genug war, hielten wir uns ausschließlich dort auf. Er war die Wiedergutmachung für eine schwierige Wohnsituation bei der Ankunft im neuen Land und der Lichtstreif am Horizont für eine vielversprechende Zukunft.

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