Blog Reportage Schweden

Mit 4 Kindern auswandern nach Schweden

An dieser Stelle sollen einmal ganz viele Geschichten von den unterschiedlichsten Menschen zu lesen sein. Um diese Kategorie zu eröffnen und zu zeigen wo die Reise hin geht, beginne ich mit unserer Geschichte.

Hej! Stelle dich doch am besten erstmal selber vor!

Ich heiße Friederike, bin 43 Jahre alt, verheiratet und Mutter von 4 Kindern zwischen 15 und drei Jahren. Vor gut zwei Jahren, im Februar 2022 sind wir von Deutschland nach Südschweden, Skåne ausgewandert.

Warum seid ihr ausgewandert? Und warum Schweden?

In Deutschland haben wir uns aus mehreren Gründen nicht mehr wohl gefühlt. Und mit Schweden waren wir schon immer verbunden. Meine Schwester lebt seit über 30 Jahren hier. Sie ist mit 18 Jahren, der Liebe wegen, ausgewandert. Daher war ich bereits als Kind mehrfach in Schweden und später dann mit meinem Mann.

Wie war die Auswanderung? Hattet ihr bereits eine Arbeit/ Haus bevor ihr los seid?

Haha! (lacht). Schön wär`s gewesen. Unsere Auswanderung war wohl eine der chaotischsten und unorganisiertesten überhaupt. Mein Mann und ich haben da so ein Grundvertrauen, dass alles schon irgendwie funktionieren wird. Das kann aber ehrlich gesagt manchmal auch ziemlich anstrengend werden, wenn das Vertrauen mal wackelt aber immer noch keine Lösung in Sicht ist.

Wir hatten ein bisschen Geld, so dass wir uns das erste halbe Jahr ohne Arbeitsstelle versorgen konnten und meine Schwester hat uns eine vorübergehende Unterkunft organisiert, einen Platz zum ankommen. Diese erste Bleibe war ein leerstehendes B&B und leider nicht besonders heimelig. Alles zu groß, nicht familientauglich. Auch die Arbeitssuche hatten wir uns leichter vorgestellt. Es hieß zwar immer, dass mein Mann mit seiner beruflichen Laufbahn im Bereich Automation schnell einen Job finden würde, der dann auch auf englisch auszuführen wäre, aber trotz vieler Telefongespräche, Head-Hunter-Calls und Vorstellungsgesprächen kam keine Anstellung zustande. Dann mussten wir auch noch, nach 7 Monaten, aus dem B&B ausziehen. Zu diesem Zeitpunkt war ich ziemlich verzweifelt.

Das hört sich echt heftig an. Wie habt ihr dann weitergemacht?

Es gab ein paar Faktoren, die die Job- und Haussuche noch etwas kniffliger gemacht haben. Wie schon erwähnt lebte meine Schwester bereits lange in Schweden. Zeitgleich mit uns sind dann auch meine Eltern ausgewandert. Erst überlegten wir alle gemeinsam auf einen großen Hof zu ziehen. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt, aber es hat meinen Mann und mich an den Ort, an dem wir jetzt leben, gebunden. Den Ort wo mittlerweile alle lebten. Die Kinder gingen bereits hier zu Schule, hatten etwas Anschluss gefunden und wir wollten ihnen nicht noch einen weiteren Umzug, innerhalb Schwedens, zumuten. So beschränkte sich unsere Häusersuche auf nur diese eine kleine Stadt. Und auch die Jobsuche belief sich auf einen Umkreis von ca. 100km.

Dann ist es so, dass in Schweden Häuser nicht gemietet, sondern gekauft werden. Jeder hat sein Eigenheim. Das gehört dann zwar eigentlich der Bank aber das ist das Wohnmodell hierzulande. Ein Haus zur Miete zu finden ist die Stecknadel im Heuhaufen.

Und dann noch mit vier Kindern…

Genau. Wir brauchten Platz. Den haben wir aber erstmal nicht gefunden, sondern das genaue Gegenteil. Wir mussten also aus dem B&B raus. Eine deutsche Familie, auch Auswanderer, hat uns angeboten in ihr Ferienhaus im Nachbarort zu ziehen. Das war ein Glück, denn wir wussten zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht weiter. So ging es als nächsten Schritt in ein 60qm großes Sommerhaus, in dem wir das nächste Jahr verbringen würden. Das wussten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Wir hofften jeden Tag darauf etwas Passenderes zu finden.

Aufgrund von Platzmangel brachten wir unsere Möbel in der Garage meiner Eltern unter und ein zweites, befreundetes Auswanderpaar stellte uns einen Kellerraum ihres Hauses für Umzugskartons zur Verfügung, die im kleinen Häuschen keinen Platz fanden.

Hast du zwischendurch überlegt nach Deutschland zurück zu gehen?

Ja. Gestrandet in dem winzigen Haus hab ich wirklich darüber nachgedacht. Im Oktober sind wir dort eingezogen, der Winter war kalt und dunkel und es fühlte sich zwischendurch sehr perspektivlos an. Aber wir haben versucht das Beste daraus zu machen. Die Kinder wollten sowieso auf keinen Fall zurück.

Im Frühjahr hat mein Mann dann angefangen als Schreiner zu arbeiten und das gab neue Hoffnung.

Als Schreiner? Hast du nicht eben was anderes erzählt?

Ja, stimmt. Früher hat er im Büro gearbeitet. Hier in Schweden hat er ein längeres Praktikum bei einem Schreiner gemacht und arbeitet seitdem selbständig. Er macht das echt gut. Und solange du Kunden und Aufträge hast, brauchst du keinen Ausbildungsschein.

Was machst du beruflich?

Ich bin gelernte Erzieherin und Heilpädagogin. In Schweden sind beide Ausbildungen anerkannt, aber für die vollständige Legitimation (so heißt das hier) müssen meine Sprachkenntnisse auf Gymnasiumniveau sein. Erst habe ich nach Aushilfsstellen gesucht. Das ist aber alles nicht so einfach, weil die Frauen in Schweden alle Vollzeit, mindestens aber 75% arbeiten. Unser Jüngster ist gerade drei Jahre alt geworden. Wir möchten nicht, dass er den ganzen Tag im Kindergarten verbringt. Wir haben verschiedene Modelle durchdacht. Ich in Vollzeit, mein Mann (als Selbständiger) in Teilzeit wäre eine machbare Lösung gewesen. Aber plötzlich gab es zu viele Erzieher, die alle auf Jobsuche sind. Da hatte ich mit meinen lückenhaften Schwedisch Kenntnissen nicht so viel Chancen.

Wir haben jetzt aber eine gute Lösung gefunden. In Schweden gibt es sowas wie Bafög, für alle Einwohner von 20 bis 60 Jahre. Das ist unabhängig vom Einkommen des Partners oder der Eltern. Der Gedanke dahinter ist, dass jeder der will, die Möglichkeit haben soll zu studieren. Ein Teil des Geldes bekommt man als staatliche Unterstützung, einen Anderen als sehr günstigen Kredit, der über eine lange Laufzeit in kleinen Raten zurück gezahlt wird. Das habe ich jetzt in Anspruch genommen und studiere schwedisch. Für uns eine Win-Win- Situation. Ich studiere von zu Hause, bin dabei flexibel und kann mich um die Kinder kümmern, trotzdem trage ich etwas zur Familienkasse bei.

Und wo wohnt ihr jetzt?

Nach einem Jahr im kleinen Häuschen, das mich wohntechnisch echt an meine Grenzen gebracht hat, wohnen wir jetzt in einem schönen schwedischen Holzhaus zur Miete. Es ist auch groß genug und fast jeder hat ein eigenes Zimmer (lacht).

Du hast eben erwähnt die Kinder wollten nicht zurück nach Deutschland. Warum?

Das hab ich mich auch gefragt. War ja alles nicht so rosarot hier am Anfang. Ich weiß nicht, sie fanden die Situation in Deutschland ziemlich schlimm bevor wir weg sind. Vor allem die Mädchen. Sie musste jeden Tag in der Schule acht Stunden lang ne Maske tragen und das soziale Klima hatte sich einfach verändert. Viel Feindseligkeit, das haben sie gespürt. Auch hat das schwedische Schulsystem wohl dazu beigetragen, dass sie bleiben wollten. Die Lehrer sind sehr mitfühlend, es gibt nicht so viel Druck und keine Hausaufgaben. Wir alle mögen, davon abgesehen, die schwedische Natur und die Ruhe sehr. Sogar unsere Teenager.

Was ist das Besondere an Schweden?

Was wir total lieben ist das Wasser. Es gibt uns unwahrscheinlich viel Lebensqualität. Wir wohnen ein paar Minuten von einem riesigen See entfernt, der sich durch den ganzen Ort zieht. Im Sommer gehen wir fast täglich schwimmen, die großen Kinder lieben es auf den SUP`s unterwegs zu sein und der Kleine ist glücklich am Strand im Sand zu buddeln. Im Winter sind alle Schweden auf dem Eis unterwegs, spielen Hockey und fahren Schlittschuh. Aber auch ein einfacher Spaziergang, am See entlang, ist zu jeder Jahreszeit unheimlich erholsam und schön.

Ich persönlich liebe das Meer sehr! Wir leben ziemlich genau zwischen West-und Ostküste. Beide Küsten haben eine ganz unterschiedliche Atmosphäre und mit nur einer Stunde Fahrzeit sind wir dort. Ich träume ja so ein bisschen von einem Ferienhaus am Meer, wüsste aber gerade gar nicht für welche Küste ich mich entscheiden sollte.

Dieses Jahr sind wir in den Sommerferien in Schweden geblieben und es war sehr eindrücklich, dass nur ein Tag am Strand sich anfühlen kann wie mehrere Tage Urlaub.

Abgesehen von der Natur mag ich, dass die Schweden einen starken Fokus auf Gleichstellung haben. Also nicht nur zwischen den Geschlechtern. Es ist hier nicht so wichtig, ob du beispielsweise Lehrer bist oder im Supermarkt arbeitest. Beide Jobs sind gleichermaßen anerkannt und durch die Nacht- und Wochenendzuschläge verdienst du im Supermarkt sogar besser. Es gibt nicht so eine Hierarchie, nicht ein auf den anderen herab schauen. Das ist wirklich so stark ausgeprägt, dass ich diese Art des Umgangs miteinander bereits nach einigen Tagen in Schweden gefühlt habe, ohne die Sprache zu verstehen oder darüber informiert wurden zu sein. Was dazu beiträgt ist natürlich auch, dass alle geduzt und mit Vornamen angesprochen werden. Wirklich alle. Die Lehrer, die Chefs, die Polizisten…

Die einzige Ausnahme bildet der König.

Gab es etwas, an dass ihr euch erst mal gewöhnen musstet?

Das Essen! (lacht) Aber das geht wirklich allen Auswandern so. Egal wo sie herkommen, egal wo sie hingehen. Essen verbinden alle mit Heimat.

Es gibt hier salzige Butter, dafür ist das Brot manchmal, wenn du beim Kauf nicht aufpasst, süß. Brot kann man das sowieso nicht nennen. In Deutschland wäre es Toastbrot. Das ist typisch deutsch, oder? Das Brot zu vermissen!

Und es gibt so ein paar Lebensmittel, die bekommst du hier halt nicht. Da muss man Alternativen finden. Oder sich Care-Pakete schicken lassen. (Danke Schwiegermama!) Die Kinder freuen sich beim Besuch in Deutschland auf Maultaschen und Klöße.

Sowieso ist das Angebot an Konsumgütern etwas eingeschränkter hier. Es versendet auch nicht jeder Onlineshop nach Schweden oder das Porto kostet ein Vermögen. Eigentlich nicht schlecht weniger zu konsumieren aber wenn man etwas Spezielles haben möchte, dass man aus Deutschland kennt, ist es dann doch manchmal schade.

Was noch Besonders ist, die Schweden lieben Vintage! Flohmärkte (Loppis) gibt es an jeder Ecke und der Kauf/Verkauf von Gebrauchtem ist ganz alltäglich.

Okay, danke für deinen Einblick in euer Leben. Sehr spannend. Und weiterhin alles Gute für die Zukunft!

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